1.2.1.Das IFA Karosseriewerk Merane
1.2.1.0. zur Geschichte (1)
Die Wurzeln des Karosseriebaus in Meerane liegen bei der Firma Hornig &
Co, die am 13. August 1869 von Gustav Reinhold Hornig als Stellmacherei
für Wagenbau gegründet wurde.
Einer der ersten Aufträge war eine Limousine auf einem Fahgestell von Presto
und war ein großer Erfolg.
Die Meeraner Firma wurde durch die Herstellung von Karosserien, besonders Luxuskarosserien
für DKW, Horch, Wanderer und Audi, aber auch für Elite, Simplex, Presto und Rex zu einem namhaften Geschäftspartner in der sächsischen Fahrzeugindustrie, .
Im Zweiten Weltkrieg musste Hornig seine Produktion, genauso wie die anderen
Zwickauer Automobilwerke, auf Wehrmachts-Anforderungen umstellen.
1946 wurde die Firma Hornig, wie auch viele andere Industrieanlagen und
Großgrundbesitztümer in der Sowjetischen Besatzung Zone (SBZ) enteignet.
Mit Bildung des IFA Karosseriewerks Meerane 1947 begann die zweite große Etappe in der 100-jährigen Karosseriebaugeschichte der Stadt.
In den Hallen auf dem Merzenberg wurden zunächst Karosserien für den F8 Kombi für den VEB Automobilwerk "Audi" Zwickau gebaut.
(2 Zylinder, Zweitakt, wassergekühlt, 690 cccm, 20 PS, 14,72 kW)
Bemerkenswert ist der „Schindelwagen-Aufbau“, analog britischer oder US-amerikanischer PKW mit Kasten- oder Kombiaufbau, die heute „Woody“ genannt werden.
Mit der Herstellung der F9 Cabrio-Limousine und der Coupé-Variante des Wartburg 311 für den VEB Automobilwerk Eisenach brachten einen Hauch des früheren Luxussegments zurück. Der Wartburg Coupé wurde ab 1957 ca. 3 Jahre fast ausschließlich in Handarbeit gebaut.(3 Zylinder, Zweitakt, wassergekühlt, 900 ccm, 37 PS)
Die Fertigung wurde dann in den VEB Karosseriewerk Dresden (KWD) ehem. Gläser verlagert, weil das IFA Karosseriewerk Meerane in die Zwickauer P50 Produktion des VEB Automobilwerk Zwickau als Kombiproduzent mit einbezogen wurde.
An dieser Stelle sollen die beiden Urgesteine Erich Lüsebrink und Hans Strauß, die zur Geschichte des Karosseriewerkes Meerane gehören, im Besonderen erwähnt werden.
Herr Erich Lüsebrink war schon zu Hornigs Zeiten Chef-Designer/Konstrukteur im Konstruktionsbüro.
Er war ein außergewöhnlicher Mensch von kräftiger Statur und gewissen augenscheinlichen Allüren.
Mit seiner etwas tollpatschig anmutenden Gangart mit den dabei weit ausholenden schwenkenden Armen war er schon von weiten für Jedermann erkennbar.
Sein Schreibtisch war immer voll bis zum Rand gefüllt. Im Chaos lag eben die Ordnung.
Er hatte von der Picke auf bei der Firma Hornig das Handwerk eines Karosseriekonstrukteurs gelernt.
Ihn war es hauptsächlich zu verdanken, dass die Design- und Zusammenstellungszeichnungen für den Trabant Kombi und und dem Trabant Kübel unproblematisch am 1 : 1 Zeichenbrett entstanden.
Das Ergebnis war für den damaligen Zeitgeist doch recht anmutig anzusehen.
Mit seinen reichen Erfahrungsschatz war er prädestiniert auch in kürzester Frist die komplizierte Mechanik für das Klappverdeck für den Kübel zu entwickeln.
Für ihn war das nichts Neues. Bei Hornig musste er dies wohl schon öfters tun.
Wir jungen Ingenieure hatten Achtung vor seinen Können und Alter und hielten Distanz im persönlichen Bereich.
Für uns war er etwas unnahbar und unantastbar.
So war es dann auch traurig mit ansehen zu müssen, wie er im Alter gesundheitlich nach und nach abbaute.
Zuletzt konnte er sich nur noch mit Zentimeter kleinen Schritten bei seinen kurzen Spaziergängen im Crimmitschauer Viertel von Meerane bewegen.
Hans Strauß war Chef des Werkzeug-, Vorrichtungs-, Modellbaues am Altmarkt und des Musterbaues Rosental 21.
Er war ein jähzorniger und schwieriger Typ, aber ein Fachmann durch und durch.
Manchen „persönlichen Strauß“ musste mit ihm ausgefochten werden.
Den jungen Ingenieuren ließ er jedoch freie Hand. Wir konnten viel „Neues“ ausprobieren und einführen.
Seine Ausbildung hatte er im Getriebewerk Penig erhalten.
Er hatte zu "Gott und der Welt" Verbindungen und Bekannte.
Sie reichten von Penig bis weit in das Erzgebirge nach Aue, Bernsbach, Schwarzenberg, Raschau und Scheibenberg.
Das war in der damaligen Zeit der Mangelwirtschaft so wichtig, um etwas schnell und zielstrebig umsetzen zu können.
Man nannte ihn auch den "Federzug Strauß".
Er war der Vater des Federzuges in der DDR. Das Karosseriewerk war Alleinhersteller und Vertreiber dieses begehrten Hilfsmittels.
Sein Bereich verfügte über hervorragende Facharbeiter, die in der Lage waren, die benötigten Schnitt-, Biege- und Folgeschnittwerkzeuge mit höchsten Qualitätsansprüchen selber herzustellen. Auch sämtliche Schweißvorrichtungen und Aufsetz-Böcke zum maßgerechten Zusammenfügen und Verschweißen der Bauteile zur Rohkarosserie entstanden in dem Räumen Am Altmarkt in Konstruktion und Bau.
Auch waren im 1. Obergeschoß in den Gebäuden Am Altmarkt unsere Modellbauer integrierten .Diese fertigten in der Funktionsmusterbauphase die erforderlichem Holzmodell für das Treiben der ersten Blechteile sowie die Gußmodelle für die Blei- und Grauguss- Behelfswerkzeuge. Vielmals wurde dazu noch Unterstützung im Erzgebirge geholt.
In den Modellbau-Räumen stand sogar ein zusammensetzbares 1 :1 Holzmodell für den Trabant Kombi, um zum Einen die Ursprungsparameter zu dokumentieren sowie eine Grundlage für die Serienmeßtechnik zu haben. Die Messtechnik verwendete vielmals diese Modelle auch für das Herstellen der Planlage von Blechteilen zur Beurteilung einer zeichnungsgerechten Herstellung der Serienblechteile.
Unsere Modellbauer waren in der Lage eine 2 D-Konstruktionszeichnungen zu lesen und daraus die wahren Längen im 3 D Koordinatensystem zu ermitteln. Daraus entstanden räumliche Modelle mit optisch anmutig gekrümmten Oberflächen, Übergängen und Konturen.
Im Musterbau Rosental 21 beschäftigten wir hochqualifizierte Klempner. Sie waren in der Lage, die 1. Blech -Musterteile manuell und maßgerecht zu treiben. Somit war der eigenständige Funktionsmusterbau am Standort Meerane immer gewährleistet und es konnte auf Weiterentwicklungen schnellstens reagiert werden. Nun sind einige in Rente und betätigen sich desto trotz noch heute außerberuflich bei der Herstellung fehlender Blechteile für die Oldtimer- Renovierung.
Diese hohe Wertschätzung des Karosseriebaues in Meerane verdanken wir im Besonderen unseren Hans Strauß, der die technischen Voraussetzung für eine gut funktionierende Serienproduktion des Trabant Kombi und Kübels in Zusammenarbeit mit seinen Team in den verwinkelten Gemäuern geschaffen hatte. Mit diesem kurzen Beitrag möchte ich ihm ein würdiges Denkmal setzen.
1.2.1.1. Die Betriebsstruktur des Karosseriewerkes Meerane ca. Dezember 1989 (1)
Das Karosseriewerk Meerane bestand aus den Betriebsteilen des FB 1, FB 1A
; Fb2 ; FB 3 , FB4 und FB 5.
Die Zahl der Mitarbeiter belief sich auf 1127 Beschäftigte, davon 736 Beschäftigte
in der Produktion.
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- FB 1 Leipziger Strasse 18 (Johannisstrasse, Karolinenstrasse, Merzenberg , Altmarkt ) Produktionsstückzahl : 126 Trabant Kombi / Tag, 4 Trabant Tramp oder Kübel / Tag
ehemals Glauchau OdF-Straße, jetzt Dietrich-Bonhoeffer-Straße ehemals Ernst Dietzsch sen. (z.B. Horch 670 V12 / 1932) bis 1947, spätaer VEB Karosseriewerk Glauchau bis 01.01.1953
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- FB 4 ; Rosental 27 bis 35
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(1) Quelle : Private Aufzeichnungen zum privaten VHS-Video "Der Trabant Kombi - eine Legende auf Rädern
- (Vom Sterben der Trabantfertigung in Meerane)" Dipl.-Ing. Herbert Schorch