1.2. Wie entstand ein Kübel
1.2.0. Oral History
1.2.0.1. auf dem 4. Zwickauer Trabant- und Ifa-Treffen
Auf dem 4. Zwickauer Trabant- und Ifa-Treffen 2011 hatte ich mit mehreren Trabant-Freunden eine sehr, sehr anregende Unterhaltung.Leider konnte ich meinen Camcorder nicht in den Modus "Diktiergerät" umschalten, da er im Modus "Webcam" Live-Bilder für die Treffen-Webcam von trabitechnik.com aufnahm, die live ins Netz gestellt wurden.
Folgende Gesprächsfetzen sind aber bei mir auf meinen Notizblock hängen geblieben.
1978/79 hatten wir Polytechnischen Unterricht (1) im Karosseriewerk Meerane.
Neben TZ (2) und ESP (3) haben wir im Fach PA (4) an Trabikübel geschraubt.Der Kübelbau war eigentlich eine größere Garage.
Dort wurden 3 fertig gespritzte Kübelkarossen auf Rollwagen hinein gefahren.
Wir haben die Karossen komplettiert. Kabelbäume einziehen, Leuchten anbauen, Bestuhlung montieren usw.
Dort haben wir auch gelernt, wie eine Scheibe mit einer Schnur eingezogen wurde.
Von den damals gewonnenen Erfahrungen zehre ich heute noch, wenn ich eine Scheibe montieren soll.Je nachdem was auf den Begleitpapieren zur Karosse stand, wurde die Inneneinrichtung eingebaut.
Die Armeeausführungen erhielten die Halterungen für die Kaschi (AK 47), für die Funkgeräte, für die Kabeltrommeln, für die Feldfernsprecher usw.
Die Forsttrabis die Haltegriffe auf den hinteren Kotflügel und die Halterungen für Kanister, Werkzeug und Sanikasten...Ich kann mich noch daran erinnern, es standen immer 2 Grüne und ein Weißer im Kübelbau.
Die Weißen waren für den Export nach Griechenland als Strandbuggys vorgesehen...Sehr lustig war die Anlieferung der Bodengruppen aus Zwickau.
Auf einen W50 mit Spezialanhänger wurden die Bodengruppen angeliefert.
Die wurden vom LKW an einer Rampe in das Kellerlager geschubst ...Nicht alle Teile für die Kübel wurden in Meerane gefertigt.
Blechteile, wie die Hutprofile für die Rückwände würden in einem Metallbaubetrieb in Glauchau gefertigt.
Die Seitenteile kamen aus Grimmitschau.
Die kompletten Verdecke kamen aus der Glauchau.
Die Spriegelgestelle fertigte der Liedloff- Schmied aus Remse bei Glauchau …
- (1) Polytechnischen Unterricht - heute Unterrichtsfach Arbeitslehre
- (2) TZ - Technisches Zeichnen
- (3) ESP - Einführung in die sozialistische Produktion
- (4) PA - Produktive Arbeit, früher UTP - Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion
1.2.0.1. 2011 in Remse
Den Hinweis "Liedloff-Schmied" habe ich aufgenommen und in Remse angerufen.
Thomas, der das Geschäft vom Vater übernommen hat, war über meinen Anruf sehr erstaunt.
Aber wenn ich mich vorher anmelde, wird der Vater bestimmt mir gern Auskunft geben.
Als ich nun vor Wolfgang stand, war er genauso überrascht und gleichermaßen erfreut.
Erst einmal setzten wir uns an den Gartentisch und ich sollte mein Anliegen erklären.
Ich wollte auf meiner Spurensuche natürlich alles wissen.
Wann er erstmalig den Auftrag von der Fa. Wilhelm aus Reinholdshein für die Stahlbauarbeiten an den Verdecken bekommen hat, konnte er mir nicht mehr sagen.
Es muss aber Ende der 60er Jahre gewesen sein, da der Vater von Wolfgang auch noch mit an den Teilen gearbeitet hat.
Später hat dann auch sein Sohn Thomas mit in der Schmiede gearbeitet.
Da man in Reinholdshein nicht mehr mit der Produktion nachkam, wurden Halbzeuge nach Remse geliefert.
In reiner Handarbeit entstanden hier die Stahlbauteile für die Verdecke.
Aber es wurde nicht jedes einzelne Gestell hintereinander gebaut.
Sondern es wurden von Tag zu Tag größere Stückzahlen der verschiedenen Einzelteile gefertigt, die dann entsprechend den Anforderungen als komplette Spriegelgestelle nach Reinholdshein geliefert wurden.
In Spitzenzeiten waren es bis zu 200 Stück pro Monat.
Zeichnungen oder andere Unterlagen sind nicht mehr vorhanden.
Aber er zeigt mir gern die entsprechenden Örtlichkeiten.
Er hat sogar das geplante Mittagessen - Mittagessen sein lassen und zeigte mit mir erst einmal die Schmiede.
Auf dem Rundgang zeigte er mir das offene Schmiedefeuer.
Heute kommt es seltener zum Einsatz.
Aber die zu biegenden Teile für die Spriegelgestelle wurden alle dort zur Warmumformung auf ca. 1000 °C erhitzt.
Dann kamen sie in spezielle Biegevorrichtungen.
Eine Vorrichtung für das Biegen der Spannstreben zog Wolfgang noch unter der Werkbank hervor und spannte sie für mich zur Demonstration in dem Schraubstock ein.
Ein entsprechendes Stück Flacheisen fand sich auch.
Die Löcher wurden noch in der mächtigen Ständerbohrmaschine von Hand gebohrt.
Heute macht das keiner mehr.
Neben der großen Ständerbohrmaschine steht heute eine Stanze, die die Löcher in Sekundenschnelle einbringt.
Auch die Biegevorrichtung, in der die Rohre gebogen wurden, konnte mir Wolfgang zeigen.
Und in einem Regal lagen noch einige fertig gebogene Rohre.
Der Zusammenbau erfolgte in Vorrichtungen.
Eine war sogar noch da und ich konnte meine Knipse zücken.
Am Anfang wurden die Einzelteile in den Schweißvorrichtungen noch mühselig
mit Elektroden geschweißt.
Der Klopper von Maschine verrichtet heute noch gute Dienste in der Schmiede.
Später stand für die Schweißarbeiten ein MAG-Gerät zur Verfügung und es wurde mit CO2 geschweißt.
Der Besuch bei Wolfgang und Thomas hat mir sehr gut gefallen und ich bedanke mich,
für die mir bereitwillig zur Verfügung gestellten Informationen und für die tollen Bilder.
Zum Schluss überreichte man mir noch ein kleines Souvenir.
Ich denke mal, bei jedem anderen Kübelfan würde dieses Teil bestimmt auch einen Ehrenplatz in seiner Sammlung einnehmen.
1.2.0.3. 2011 in Reinholdshain
Meine nächsten Stichpunkte für die weitere Spurensuche waren "Fa. Wilhelm in Reinholdshein".
Reinholdhein habe ich im Internet sofort gefinden.
Seit dem 3. Oktober 1992 ist Reinholdshain mit seinen Ortsteilen nach Glauchau eingemeindet.
Und die Fa. Fahrzeugverdecke Felix Wilhelm findet man in zahlreichen, angeblich serösen, Branchenverzeichnissen im Internet.
Als ich einmal in der Nähe war, habe ich dort einen Zwischenstopp eingelegt.
Die vermutlich ehemaligen Gebäude habe ich sofort gefunden.
Aber leider erinnert nichts mehr an die ehemaligen Produktionsstätten.
Andere Firmen haben dort ihr neues Domizil gefunden.
Im Nachhinein habe mit Monika gesprochen.
Sie hat ca. 83 bis 86 bei der Fa. Felix Wilhelm gearbeitet.
Ihre Aufgabe war Verdeckgestelle für den Trabant-Kübel mit den Teilen aus dem Zuschnitt zu beschlagen.
Ca. 30 Stück waren täglich im Leistungslohn zu fertigen.
Es herrschte ein sehr gutes Arbeitsklima im Betrieb.
Auch sehr schön war der sehr kurze Arbeitsweg.
Nach der Wende führte Frau Mai den Betrieb weiter.
Schwerpunkte der Produktion waren Anhänger- und LKW-Planen. Aber auch Rucksäcke wurden gefertigt.
Frau Mai soll bis zur letzten Stoffbahn Kübelfans bei der Beschaffung und Reparatur von Verdecken geholfen haben.
Der Betrieb wurden 2010 geschlossen.
==> Bitte hier zum VEB IFA Karosseriewerk Merane weiterlesen